Tücki­sches Täl­chen: Ein Un­fall

Snow­boar­ders Alp­traum

Un­ter­halb der Ul­mer Hüt­te, am 1. Mai, dem vor­letz­ten Tag der Sai­son 98/99. Ich ha­be ei­ne 1000 Hö­hen­me­ter Non-Stop Ab­fahrt vom Schind­ler­grat zur Al­pe Rauz hin­ter mir und die Fahrt mit dem Val­fa­gehr­lift hoch zur Ul­mer Hüt­te. Ich fah­re zu­sam­men mit zwei Frau­en ab, von der mir die ei­ne durch ih­ren Schnee­pflug auf­fällt, der an die­ser sanf­ten Nei­gung nicht an­ge­bracht er­scheint. Die jün­ge­re Da­me hö­re ich noch sa­gen: «Jetzt kommt ein Stück, wo man am En­de lau­fen muß. Ich has­se das!»

Ich auch. Und ich fürch­te An­fän­ger, wes­halb ich ver­su­che, den Da­men zu ent­kom­men. Aber die ers­te ist schon vor­aus und die zwei­te hat den Vor­teil der In­nen­kur­ve, zu­mal ich ei­nen wei­ten Bo­gen fah­re, um ihr nicht zu na­he zu kom­men. Sie fährt sehr schnell in die Sen­ke, um Fahrt für den An­stieg auf­zu­neh­men. Ich auch. Noch be­vor sie und ich die Tal­soh­le er­rei­chen, ge­ra­ten wir auf klei­ne Qu­er­ril­len, die ich mit viel Er­fah­rung op­ti­mal weg­fe­de­re. Sie nicht. Ich se­he Schnee, Skier und Stö­cke auf­wir­beln, se­he die Da­me vor ih­rem Equip­ment her­flie­gen - und brem­se ab. Schließ­lich kann ich ih­re Ret­tung nicht ir­gend­wem über­las­sen.

Hubschrauberrettung Ich sam­me­le ih­re Bril­le und Skier ein und glei­te an sie her­an. Ich schät­ze sie auf Mit­te 40. «Bit­te ste­hen Sie auf!» sa­ge ich ihr, weil sie sehr un­güns­tig liegt. Hier sind fast al­le zu schnell. «Hmm», hö­re ich nur. «Ste­hen Sie bit­te auf!», sa­ge ich mit mehr Nach­druck. Sie will nicht recht. Ich brau­che meh­re­re An­läu­fe, um sie da­zu zu be­we­gen, aber sie kann nicht: «Ich kann mei­nen Fuß nicht be­we­gen. Viel­leicht soll­te ich den Ski­schuh aus­zie­hen.»

Wer hier oben auf die dum­me Idee kommt, den Ski­schuh aus­zu­zie­hen, der muß sich ver­letzt ha­ben. Ich kreu­ze ih­re Ski­stö­cke zum Zei­chen der Ge­fahr vor ih­rem Ru­he­platz. Sie weiß wohl, was die Stun­de ge­schla­gen hat: «Wür­den Sie dem äl­te­ren Herrn wei­ter vor­ne Be­scheid sa­gen, dass ich nicht auf­ste­hen kann.»

Al­so ma­che ich mich auf den Weg und dap­pe in Rich­tung Hü­gel. Ein «äl­te­rer Herr» kommt auf mich zu: «Hat sie es hin­ter sich?». Ich hof­fe er meint das Ski­fah­ren und ant­wor­te: «Ich den­ke ja.»

Die an­de­re Da­me vom Aus­stieg des Val­fa­gehr­lifts, deut­lich jün­ger, at­trak­tiv, soll Hil­fe ho­len. Ich se­he, wie sie mit der Si­tua­ti­on über­for­dert ist: «Kom­men Sie mit, wir fah­ren zur Tal­sta­ti­on vom Schind­ler­kar­lift und mel­den den Un­fall. Ich brin­ge Sie hin.»

Da es et­was dau­ert, bis der be­stell­te Schlit­ten ein­trifft, neh­me ich sie mit zum Schind­ler­grat. Wir un­ter­hal­ten uns und sie bie­tet mir das Du an. Kei­ne Ein­wän­de. Vom Schind­ler­grat brin­ge ich sie zur Un­fall­stel­le zu­rück, wo­bei ich ein we­nig Ski­un­ter­richt er­tei­le und ver­su­che, ihr den Schnee­pflug im Sulz­schnee ab­zu­ge­wöh­nen:

«Wenn man den Schnee­pflug bräuch­te, gä­be es kein Snow­board!»
An der Un­fall­stel­le ist im­mer noch kein Schlit­ten an­ge­kom­men. Nach ei­nem herz­li­chen Ab­schied fah­re ich wie­der zum Schind­ler­kar­lift. Es ist noch zu früh für das En­de die­ses wun­der­ba­ren Ski­ta­ges ...

Am nächs­ten Tag tref­fe ich mei­ne Pech­vö­gel wie­der und er­fah­re, dass es erst die zwei­te Ski­wo­che der Da­me war und sie Schien- und Wa­den­bein ge­bro­chen hat.  Heu­te ist das Täl­chen ent­schärft: Nicht ganz ver­schwun­den, aber deut­lich fla­cher, ver­mut­lich auf­ge­schüt­tet. Bei we­ni­ger stump­fem Schnee kommt man bei be­herz­ter Fahrt jetzt bis zu der Stel­le, an der man oh­ne Sto­chern ab­fah­ren kann. (Un­ser Freund Fe­lix konn­te das schon im­mer, aber im­mer wenn ich das er­zäh­le, rümp­fen die Zu­hö­rer die Na­sen.)