Pa­ris 2025

Ru­he­tage in der Um­ge­bung von Mais­se

Paris 2025, Zelt trocknen am Ziel der Reise An­ge­kom­men am Ziel baue ich erst ein­mal das Zelt auf, um es trock­nen zu las­sen. Wie im letz­ten Jahr kommt mei­ne Frau mit dem Au­to nach Mais­se. Das Begleit­fahr­zeug bringt wie­der ei­ne gro­ße Luft­pum­pe und Er­satz­tei­le mit. War das da­mals noch ent­schei­dend für den Er­folg der Rück­fahrt, so hat sie dies­mal nur ei­nen Lu­xus­ge­gen­stand im Ge­päck, ei­nen Cam­ping­stuhl. Ge­fühlt war ich so­wie­so der ein­zi­ge Rad­fah­rer oh­ne solch ei­nen Aus­rüs­tungs­ge­gen­stand. Nur an we­ni­gen Cam­ping­plät­zen gibt Luxus pur: Sitzen im Campingstuhl es Sitz­ge­le­gen­hei­ten für Ein­zel­wan­de­rer, und wenn, dann ha­ben sie kei­ne Rücken­leh­ne.

Von den Ge­gen­stän­den, die ich am ehes­ten ab­ge­ben kann, ist der Ju­gend­her­bergs­schlaf­sack der­je­ni­ge, den ich am we­nigs­ten brau­che. Er dient mir als Teil des Kopf­kis­sens und ist da­für ent­schie­den zu schwer. In den Her­ber­ge ist das Mie­ten der Bett­wä­sche, an­ders als vor 40 Jah­ren, ob­li­ga­to­risch. Al­so geht er mit dem Au­to zu­rück, eben­so wie das Drei­bein fürs Kaf­fee­ko­chen, das heu­te an­ders ab­läuft und di­rekt in die Tas­se er­folgt. Zu Hau­se wiegt mei­ne Frau den Schlaf­sack nach: Er ist schwe­rer als der neue Stuhl. «Win, win», wie die Kin­der sa­gen wür­den.

Bar­bi­zon

Künstlerdorf Barbizon Von den drei Ta­gen in Mais­se ist der letz­te so ver­reg­net, dass wir kei­nen Ver­such un­ter­neh­men, in der Ge­gend her­um­zu­fah­ren, schon gar nicht nach Pa­ris. Über­haupt ist das Wet­ter schlech­ter als im Vor­jahr, wenn auch nicht so schlecht, dass es die Tour nach­hal­tig be­ein­träch­tigt. We­gen der mo­de­ra­ten Som­mer­tem­pe­ra­tu­ren lässt es sich stets aus­hal­ten, auch wenn ich den Tag ei­ni­ge Ma­le im lang­är­me­li­gen Hemd be­gin­ne (was ich aber bald wie­der aus­zie­hen kann).

Am ers­ten der bei­den weit­ge­hend tro­ckenen Ta­ge stat­ten wir Bar­bi­zon ei­nen Be­such ab, ein in Frank­reich be­kann­tes Künst­ler­dorf am Wald von Fon­tai­ne­bleau. Es ist heu­te un­strit­tig, dass sich Künst­ler in der ers­ten Hälf­te des 19. Jh. we­gen des Wal­des dort an­ge­sie­delt hat­ten, we­gen des Lichts und der In­spi­ra­ti­on, die von dem Wald aus­geht.

Künstlerdorf Barbizon, Grande Rue, Reproduktion eines Gemäldes von Erika Gagé Die «Schu­le von Bar­bi­zon» gilt als Vor­be­rei­ter des Im­pres­sio­nis­mus. Zu den wich­tigs­ten Ver­tre­tern zäh­len Jean-François Mil­let und Ca­mil­le Co­rot. Die Wi­ki­pe­dia be­schreibt Nä­he­res.

Der Ort Bar­bi­zon ist klein, tou­ris­tisch aber nicht über­lau­fen. Man parkt in der Nä­he des Zen­trums und folgt dann der Haupt­stra­ße, Gran­de Rue, an der sich Ge­schäf­te und Ga­le­ri­en be­fin­den. An den Wän­den von Ge­bäu­den und Gär­ten fin­det man über­all Re­pro­duk­tio­nen von Ge­mäl­den, die meis­ten als Mo­sa­ike aus­ge­führt.

Künstlerdorf Barbizon, Gesteinsformationen im Wald von Fontainebleau Folgt man der Haupt­stra­ße bis ans En­de, trifft man auf ein klei­nes Res­tau­rant. Da es bei un­se­rem Be­such ge­schlos­sen ist, be­schlie­ßen wir, in den Wald von Fon­tai­ne­bleau ein­zu­tre­ten und die aus­ge­schil­der­ten 800 m bis zu ei­ner Art Bier­gar­ten zu lau­fen, der dann auch tat­säch­lich ge­öff­net ist. Es gibt nur Klei­nig­kei­ten zu es­sen und et­was zu trin­ken. Da nur ei­ne ein­zel­ne Per­son die Ga­stro­no­mie ab­wi­ckelt, ist Ge­duld er­for­der­lich. Ich es­se ei­ne Waf­fel mit Scho­ko­la­den­auf­strich und Pu­der­zu­cker und bin zu­frie­den. Sie ist nach Ein­schät­zung mei­ner Frau bes­ser als das Crê­pe, das ich ur­sprüng­lich ge­or­dert hat­te.

Auf dem Rück­weg ver­las­sen wir die Forst­stra­ße und lau­fen par­al­lel da­zu durch den Wald. Der Wald von Fon­tai­ne­bleau ist be­kannt für sei­ne Fels­for­ma­tio­nen. An ei­ni­gen Stel­len gibt es Klet­ter­fel­sen und so­gar ei­ne Schlucht, aber cha­rak­te­ris­tisch sind die aus dem Bo­den her­aus­schau­en­den Stei­ne, die man in der Däm­me­rung für See­kü­he, Schild­krö­ten oder auch Phan­ta­sie­ges­tal­ten hal­ten könn­te.

Mo­ret-sur-Loing

Moret-sur-Loing, Osttor der Stadt vom Ufer aus fotografiert Am zwei­ten Tag be­su­chen wir Mo­ret-sur-Loing, ei­nen Ort, der als ei­ner der 100 schöns­ten Aus­flugs­zie­le in Frank­reich gilt. Ich wer­de die Ein­schät­zung nicht kom­men­tie­ren, zu­mal das Wet­ter nicht op­ti­mal ist für die­sen Aus­flug. Zwar reg­net es nicht, aber der im Kern mit­tel­al­ter­li­che Ort liegt un­ter ei­ner dunklen Wol­ken­de­cke. Der Ort passt in­so­fern gut zu un­se­rem gest­ri­gen Aus­flugs­ziel, Bar­bi­zon, als auch er für die pa­ri­ser Ma­ler von Be­deu­tung war als Mo­tiv für ih­re Bil­der.

Moret-sur-Loing, Erinnerungen an Alfred Sisley So­wohl Ma­ler aus Bar­bi­zon als auch Im­pres­sio­nis­ten mal­ten Sze­nen aus Mo­ret-sur-Loing. Mo­ti­ve wa­ren die Was­ser­müh­le, die Kir­che mit ih­rem ho­hen Chor und dem die üb­ri­ge Be­bau­ung über­ra­gen­den, ro­ten Dach, so­wie die Stadt­to­re. Der Ort zog in- und aus­län­di­sche Künst­ler an. Be­kannt oder zu­min­dest im­mer noch prä­sent ist der Ma­ler Al­fred Sis­ley. Die Ver­län­ge­rung der Rue Gran­de, die durch das Zen­trum ver­läuft, bil­det nach Os­ten die Rue du Pain­tre Sis­ley.

Moret-sur-Loing, Brückenpfeiler mit Wassermühle Mo­ret-sur-Loing hat ei­ni­ge gut er­hal­te­ne Ge­bäu­de, reicht in der Ge­schlos­sen­heit sei­ner Bau­sub­stanz aber nicht an Städ­te wie Ro­then­burg, Car­cas­son­ne, Saint-Malo oder Con­car­neau her­an, da­für ist der Orts­kern zu klein. Das er­for­dert ei­nen Aus­gleich: So wie Bar­bi­zon mit ei­ner Über­nach­tung Na­polé­ons nach sei­ner Rück­kehr von El­ba auf­war­ten kann, in Frank­reich ha­ben sol­che Un­ter­künf­te Kult­sta­tus, zeugt hier ein Schild vom Kult der Tour de Fran­ce. Der Rad­renn­fah­rer An­dré Pot­tier, Sie­ger im Jahr 1906, ward in Mo­ret-sur-Loing ge­bo­ren.

Schloss Fon­tai­ne­bleau

Château Fontainebleau, dreidimensionales Modell Wohnt man kaum 25 km Luft­li­nie von Schloss Fon­tai­ne­bleau ent­fernt, ist ein Be­such dort fast un­ver­meid­lich. Nach Ver­sail­les und noch vor Veaux le Vi­com­te ist es das wohl zweit­wich­tigs­te Schloss Frank­reichs. An­ders als Ver­sail­les dient es dem fran­zö­si­schen Staat als re­prä­sen­ta­ti­ver Schau­platz in­ter­na­tio­na­ler Tref­fen. Mit sei­ner Grö­ße, sei­ner Ge­schich­te und sei­ner lu­xo­ri­ösen Aus­stat­tung be­ein­druckt es je­den Be­su­cher.

Château Fontainebleau, Dachgauben und Schornsteine Châ­teau Fon­tai­ne­bleau war das Lieb­lings­schloss von Na­po­léon I. Heu­te trägt man dem Rech­nung, in­dem es ei­ne um­fang­rei­che Aus­s­tel­lung zu sei­nem Haus­herrn be­her­bergt, von sei­nem Ge­schirr bis zur Aus­stat­tung für die Feld­zü­ge, De­gen, Män­tel, Schmuck­stücke, exo­ti­sches Por­zel­lan und al­ler­lei In­stru­men­te. Man kann über den Grö­ßen­wahn Na­polé­ons be­stürzt sein, aber man muss an­er­ken­nen, dass er den Co­de Ci­vil ein­ge­führt hat, das ers­te bür­ger­li­che Ge­setz­buch, und mit der Ent­schei­dung, sei­ne Un­ter­ta­nen nicht nach Köp­fen son­dern nach Grund­be­sitz zu be­steu­ern, ei­nen bei­spiel­lo­sen Boom in der Fach­rich­tung Ver­mes­sungs­we­sen los­ge­tre­ten hat.

Château Fontainebleau, Wandteppiche, Stühle, Vasen, Leuchter Nach­dem ich Na­po­léon als Groß­va­ter der Land­ver­mes­ser hin­rei­chend ge­wür­digt ha­be, muss ich ge­ste­hen, dass ich in der Aus­s­tel­lung kein ein­zi­ges Fo­to ge­macht ha­be. Fo­to­gra­fie­ren ist er­laubt, blit­zen nicht. Man kann sich ei­ner Füh­rung an­schlie­ßen, für 5 Euro ei­nen Au­dio­gui­de bu­chen oder ein­fach nur so durch die Räu­me tor­keln, zu se­hen gibt es ge­nug.

ChâteaFontainebleau, Uhr Mei­ne Frau und ich wäh­len erst­mals ei­nen Au­dio­gui­de, der uns in deut­scher Spra­che durch das Schloss lei­tet. Wür­de man tat­säch­lich al­len Aus­füh­run­gen lau­schen, dau­er­te ei­ne Run­de vier bis fünf Stun­den. Ge­gen En­de kür­zen wir das Gan­ze et­was ab. Sich al­le Herr­scher, de­ren Ge­burts- und To­des­ta­ge so­wie Ver­wand­schafts­ver­hält­nis­se zu mer­ken ist eher et­was für Au­tis­ten. Trotz­dem sind wir über zwei Stun­den un­ter­wegs. Ich fo­to­gra­fie­re am heu­ti­gen Ta­ge mit ei­ner Château Fontainebleau, Napoléontassse Sys­tem­ka­me­ra, ma­che im In­nen­raum aber nur Bil­der mit dem Smart­phone, das be­kommt den Weiß­ab­gleich bes­ser hin als mei­ne tech­nisch schon ver­al­te­te Pa­na­so­nic und bringt es auf ei­nen sehr gro­ßen Blick­win­kel.

In ei­ner Hin­sicht bin ich kein ty­pi­scher Tou­rist: Ich kau­fe nie­mals Sou­ve­niers. Nie­mals, nie! Die­ses Mal ge­neh­mi­ge ich mir ei­ne Aus­nah­me. Zur Erin­ne­rung an die groß­ar­ti­ge Hin­fahrt (und die Rad­tour vom letz­ten Jahr) kau­fe ich ei­ne Tas­se mit Na­polé­ons Kon­ter­fei. Zwar ist der Auf­druck so an­ge­bracht, dass der Im­pe­ra­tor mei­nen Ge­gen­über am Tisch an­schaut, aber für ein Sel­fie mit Tas­se ist das wie­der­um per­fekt.